Akademie-Galerie
Katharina Sieverding – Weltlinie 1969
2016 Projected Data Images
Von 14. Mai bis 26. Juni 2016 zeigte die Akademie-Galerie der Kunstakademie Düsseldorf unter dem Titel „Weltlinie 1969 - 2016 Projected Data Images“ eine Einzelausstellung von Katharina Sieverding (lebt und arbeitet in Düsseldorf, Berlin und Wien).
Die Künstlerin hatte die Ausstellung speziell für die Räume der „Akademie-Galerie“ konzipiert und entwickelt. Über fünf Projektoren wurden acht unterschiedliche fotografische und filmische Werkblöcke aus den Jahren 1969-2016 vorgeführt, die zum Teil unmittelbar für die Ausstellung produziert oder aktualisiert wurden. Die Ausstellung war von der innovativen Eindrücklichkeit der wandgroßen Bild- und Filmprojektionen und deren unterschiedlichen Rhythmen ihrer Abfolge bestimmt.
In den drei großen Räumen (1, 3, 5) fand jeweils eine Konfrontation von „objektiven“ und „subjektiven“ Bildfolgen statt: mit den „TESTCUTS 2010“, aus 580 Montage-Triptychen bestehend, die jeweils 5 Sekunden lang zu sehen waren, und den „SPIEGEL BOXES 2013“ mit 57 Bildern im Rhythmus von 7 Sekunden im ersten Raum; im dritten Ausstellungsraum mit den 16 Farb- und 10 Schwarz-Weiss-Bildern der „INVITATION BOXES 2013“ und der „OHNE TITEL 2013 “ – durchweg 10 Sekunden sichtbar; im großen abschließenden Raum die beiden Schwarzweißarbeiten „EIGENBEWEGUNG 1969“ (233 Bilder je 5 Sekunden) und „MOTORKAMERA 1973-74“ (180 Bilder je 3 Sekunden).
Diese für die Akademie-Galerie wie auch für die Künstlerin neuartige Präsentation thematisierte in diesem fünften Ausstellungsraum in einzigartiger Weise die Geschichte der Kunstakademie. „MOTORKAMERA“ führte den Betrachter in die Close-Up / En-Face-Reflexion der ersten Kooperation von Katharina Sieverding und Klaus Mettig 1973, wobei die Wechselbeziehung zwischen Frau und Mann eine wesentliche Rolle im Sinne der „gender- und transgender-Debatte“ der siebziger Jahre spielte. Diese optischen wie intelektuellen Erfahrungen begründeten den großen Werkblock „TRANSFORMER 1973-1974“.
Gleichzeitig zeigte „EIGENBEWEGUNG“ erstmals die revolutionären und künstlerischen Ereignisse an der Kunstakademie im Jahr 1969, rund um Joseph Beuys, James Lee Byars, Blinky Palermo, Imi Knoebel, Johannes Stüttgen, Jörg Immendorff, Erinna König und vielen anderen. Katharina Sieverding dokumentierte damals als Studentin in der Klasse von Joseph Beuys täglich die Aktionen innerhalb und außerhalb der Institution, um in Form einer Wandzeitung jene Studenten zu informieren, welche die Ereignisse des Vortags nicht erlebt hatten. Es handelt sich um ein einzigartiges historisches Dokument und ebenso um eine im Jahr 2016 höchst innovative Aktualisierung von analoger Fotografie des 20. Jahrhunderts im neuen digitalen Supermedium unserer Zeit.
In den beiden kleineren Räumen waren zwischen diesen drei Projektions-Loops fotografischen Materials zwei Versionen von Werken mit einer kontinuierlichen Bildmetamorphose wie im Film zu sehen. Auf „Die Sonne um Mitternacht schauen – (Blue)“ (2015), wo sämtliche NASA-Daten (140.000 Bilder) aus dem Weltraum von der tektonischen Aktivität auf der Sonne zwischen 2010 und 2015 auf 213 Minuten animiert wurden, folgte das Pendant „Die Sonne um Mitternacht schauen – (Red)“ (2016), wo der entsprechende filmische Verlauf einer Immersion des Betrachters in die Sonne mit 73.000 Aufnahmen von 2010 bis 2013 in einer Dauer von 121 Minuten in dem rot eingefärbten Himmelskörper erschien. Diese beiden Werke stellten mit dem kontinuierlichen Fluss der Bildveränderung ‚symphonische’ Momente langer Dauer dar, während der Stakkato-Rhythmus der projizierten Abfolgen fotografischer Bilder die drei großen Ausstellungsräume bestimmte.
Katharina Sieverding studierte von 1964 bis 1972 an der Kunstakademie Düsseldorf, zunächst Bühnenbild bei Teo Otto, wo sie bereits aktiv für Regisseure und Operndirigenten wie Fritz Kortner, Bohumil Herlitschka und Herbert von Karajan arbeitete, um anschließend bei Joseph Beuys und in der ersten Filmklasse von Ole John Polvsen zu studieren. Dort begann sie ab 1967 ihre pionierhafte Praxis der Fotografie, der Emanzipation der Rolle der Künstlerin, der Medienreflexion und des politischen Engagements als Künstlerin. 1976 absolvierte sie das Whitney Museum of American Art: Independent Study Program, New York und lehrte bereits 1977 an der New School for Social Research: Graduate Faculty of Political and Social Science, New York und entwickelte an der Universität der Künste Berlin den Lehrstuhl für VISUAL CULTURE STUDIES von 1992–2010.
Die dreifache Documenta-Teilnehmerin eröffnete mit ihrer Ausstellung im Museum Folkwang 1977 das Zeitalter der großformatigen Fotokunst. Die Dimension der Projektionen in unserer Ausstellung – in den großen Räumen mit dem Format von jeweils 450 x 337,5 cm – umfängt den Ausstellungsbesucher in den lediglich vom Projektionslicht erhellten Räumen. Sie führt die innovative Kraft der ersten großformatigen Fotografien der Künstlerin von 1977 in einem neuen Medienzeitalter fort. Die Künstlerin vertrat 1997 die Bundesrepublik Deutschland an der Biennale von Venedig, erhielt 2004 den Kaiserring Goslar.
Sie wurde 2015 vom Senat der Kunstakademie Düsseldorf zum Ehrenmitglied der Kunstakademie gewählt.
Die Ausstellung wurde von der Künstlerin und von Robert Fleck kuratiert.
Ein Katalog erschien während der Laufzeit.